Jahresarchiv: 2024

Rauchen während des Umgangs: Grenzen der gerichtlichen Einflussnahme

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat in einer aktuellen Entscheidung die Grenzen der gerichtlichen Einflussnahme auf das elterliche Verhalten während des Umgangs mit den Kindern aufgezeigt. Der Beschluss vom 07.08.2024 (Az. 7 UF 80/24 e) verdeutlicht wichtige Aspekte des Umgangsrechts und der elterlichen Personensorge.

Personensorge während des Umgangs

Während des Umgangs liegt die sogenannte Personensorge beim jeweils betreuenden Elternteil.

Dies bedeutet, dass dieser Elternteil grundsätzlich frei entscheiden kann, wie er mit dem Kind umgeht, welche Aktivitäten unternommen werden und wen das Kind trifft.

Auch die zeitweise Betreuung durch Dritte, wie etwa neue Partner oder Großeltern, fällt in diesen Entscheidungsbereich.

Grenzen der Personensorge

Die Grenze dieser Freiheit in der Ausübung der Personensorge bildet das Kindeswohl. Nur wenn eine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliegt, kann das Familiengericht eingreifen und Auflagen erteilen.

Im vorliegenden Fall sah das OLG Bamberg das Rauchen bzw. das Passivrauchen für die Kinder nicht als eine solche Gefährdung an.

Rauchverbot ohne rechtliche Grundlage

Das OLG hob die Anordnung des Familiengerichts auf, die dem Vater das Rauchen in geschlossenen Räumen in Anwesenheit der Kinder untersagt hatte.

Begründet wurde dies damit, dass für eine solche Auflage ohne konkrete Kindeswohlgefährdung keine gesetzliche Grundlage besteht. Das Gericht betonte, dass es Aufgabe des Gesetzgebers wäre, Kinder vor den rauchenden Eltern zu schützen, falls dies als notwendig erachtet wird.

Neue Herausforderungen durch Cannabis-Legalisierung

Die Entscheidung des OLG Bamberg wirft auch Fragen im Hinblick auf die kürzlich erfolgte teilweise Legalisierung von Cannabis auf. Obwohl Cannabis nun in bestimmtem Rahmen legal ist, bleibt es eine potenziell gefährliche Substanz.

Es ist denkbar, dass bei nachgewiesenem Cannabiskonsum in Gegenwart des Kindes durchaus über eine Kindeswohlgefährdung diskutiert werden könnte.

Wie die Rechtsprechung zukünftig mit dieser neuen Problematik umgehen wird, ist derzeit noch völlig offen.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Bamberg unterstreicht die Bedeutung der elterlichen Autonomie während des Umgangs mit den Kindern.

Sie zeigt auch, dass gerichtliche Eingriffe in diesen Bereich nur bei einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls zulässig sind.

Für die Zukunft bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung insbesondere im Hinblick auf neue Herausforderungen wie den legalisierten Cannabiskonsum entwickeln wird.

Großeltern und Enkelkinder: Ein wichtiges Band auch nach Trennung der Eltern

 

Die Weihnachtszeit steht vor der Tür, und für viele Familien bedeutet das nicht nur besinnliche Stunden, sondern auch anstrengende Besuche bei den Großeltern. Doch der Kontakt zwischen Enkeln und Großeltern ist nicht nur zu den Feiertagen ein Thema. Besonders nach einer Trennung der Eltern kann die Beziehung zu den Großeltern auf eine harte Probe gestellt werden.

Die Bindung zwischen Enkelkindern und ihren Großeltern ist von unschätzbarem Wert und sollte unbedingt erhalten bleiben. Großeltern können für ihre Enkel wichtige Bezugspersonen sein, die Stabilität und emotionalen Rückhalt bieten, gerade in schwierigen Zeiten wie einer elterlichen Trennung.

Mit dieser komplexen Thematik hat sich kürzlich das Oberlandesgericht Brandenburg in seiner Entscheidung vom 24.04.2024 (Az. 9 UF 204/23) befasst. Der Fall zeigt eindrücklich, wie schwierig die Balance zwischen den Bedürfnissen aller Beteiligten sein kann.

Der Fall vor dem OLG Brandenburg

Im vorliegenden Fall hatte das Familiengericht den Großeltern mütterlicherseits Übernachtungsumgänge mit ihren Enkeln (6 und 9 Jahre alt) in begrenztem Umfang zugesprochen, einschließlich einer Woche in den Sommerferien. Die Großeltern forderten jedoch mehr regelmäßigen Kontakt, während die Mutter sich gegen weitere Umgänge aussprach.

Das OLG Brandenburg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Es betonte, dass die Großeltern seit der Geburt feste Bezugspersonen für die Kinder waren. Die Kinder selbst äußerten den Wunsch nach mehr gemeinsamer Zeit mit den Großeltern.

Abwägung der Interessen

Das Gericht musste eine heikle Abwägung vornehmen: Einerseits erkannte es an, dass die Großeltern wichtige Bezugspersonen für die Kinder sind. Andererseits betonte es, dass das Umgangsrecht der Großeltern die Kinder nicht einem „Umgangstourismus“ aussetzen dürfe.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Kontakt zum umgangsberechtigten Elternteil, der nicht mit den Kindern zusammenlebt, Vorrang hat. Die Herausforderung besteht darin, alle Familienkalender in Einklang zu bringen, wobei ein Monat nun einmal nur vier Wochen hat.

Bedeutung des Großeltern-Umgangsrechts

Trotz dieser Schwierigkeiten ist der Kontakt der Kinder zu ihren Großeltern von großer Bedeutung. Großeltern haben ein eigenständiges Umgangsrecht, das sie unabhängig von ihrem Kind – dem betreffenden Elternteil – einfordern und notfalls auch gerichtlich durchsetzen können.

Großeltern können für ihre Enkelkinder eine wichtige emotionale Stütze sein, besonders in Zeiten familiärer Veränderungen. Sie bieten oft einen „trennungsfreien“ Raum und können dem Kind ein Stück vertrauter familiärer Welt erhalten.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Brandenburg unterstreicht die Wichtigkeit, eine Balance zwischen den Bedürfnissen aller Beteiligten zu finden.

Während der Kontakt zu den Großeltern gefördert werden sollte, muss auch auf die Belastung der Kinder und ihre anderen sozialen Bedürfnisse Rücksicht genommen werden.

Letztendlich geht es darum, das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen und ihnen stabile, liebevolle Beziehungen zu ermöglichen – sowohl zu ihren Eltern als auch zu ihren Großeltern.

Erbausschlagung: Vorsicht bei vorschnellen Entscheidungen

Eine kürzlich ergangene Entscheidung des OLG Zweibrücken (Beschluss vom 14.08.2024 – 8 W 102/23) verdeutlicht die Wichtigkeit einer sorgfältigen Prüfung vor der Ausschlagung eines Erbes.

Im vorliegenden Fall schlug eine Enkelin das Erbe ihrer Großmutter aus, da sie von einer Überschuldung des Nachlasses ausging. Als sich später herausstellte, dass der Nachlass doch werthaltig war, versuchte sie vergeblich, ihre Ausschlagung rückgängig zu machen.

Erbausschlagung: Form und Frist

Eine Erbausschlagung muss in einer bestimmten Form und innerhalb einer festgelegten Frist erfolgen:

  • Form: Die Ausschlagung muss entweder persönlich zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter (notariell) Form gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden.
  • Frist: Die reguläre Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen ab Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und dem Grund der Berufung als Erbe.

Alternativen zur Erbausschlagung

Bei Verdacht auf Überschuldung des Nachlasses gibt es Alternativen zur sofortigen Ausschlagung:

  1. Nachlassinsolvenz: Statt das Erbe auszuschlagen, kann der Erbe die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens beantragen. Dies bietet die Möglichkeit, die tatsächliche finanzielle Situation des Nachlasses zu klären, ohne sofort auf potenzielle Vermögenswerte zu verzichten.

  2. Haftungsbeschränkung: Der Erbe kann auch die Haftung auf den Nachlass beschränken, indem er Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz beantragt.

Fazit: Anwaltliche Beratung unerlässlich

Der Fall des OLG Zweibrücken zeigt eindrücklich, wie wichtig eine fundierte rechtliche Beratung vor der Entscheidung über eine Erbausschlagung ist. Ein vorschneller Verzicht auf ein Erbe kann zu irreversiblen und wirtschaftlich nachteiligen Folgen führen.

Daher empfehlen wir dringend, vor jeder Entscheidung bezüglich einer Erbschaft einen spezialisierten Anwalt zu konsultieren. Nur so können alle rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte sorgfältig geprüft und eine fundierte Entscheidung getroffen werden.

Eine professionelle Beratung kann helfen, kostspielige Fehler zu vermeiden und die bestmögliche Lösung für Ihre individuelle Situation zu finden.

Gemeinschaftskonto für unverheiratete Paare: Steuerliche Fallstricke und rechtliche Herausforderungen

 

Viele unverheiratete Paare nutzen ein Gemeinschaftskonto, um ihre gemeinsamen Ausgaben zu verwalten.

Was auf den ersten Blick praktisch erscheint, kann jedoch zu unerwarteten steuerlichen Konsequenzen führen. Besonders problematisch wird es, wenn die Partner unterschiedlich hohe Beträge auf das gemeinsame Konto einzahlen.

Schenkungssteuer als lauernde Gefahr

Das Finanzamt betrachtet ungleiche Einzahlungen auf ein Gemeinschaftskonto als potenziellen Schenkungssteuer-Tatbestand.

Wenn ein Partner deutlich mehr einzahlt als der andere, könnte dies als Schenkung an den weniger zahlenden Partner interpretiert werden.

Freibeträge im Vergleich

  • Unverheiratete Paare: 20.000 Euro innerhalb von 10 Jahren
  • Verheiratete Paare: 500.000 Euro innerhalb von 10 Jahren

Diese erhebliche Diskrepanz kann für unverheiratete Paare schnell zum Problem werden. Bei einer monatlichen Miete von 1.000 Euro, die von einem Partner allein getragen wird, wäre der Freibetrag bereits nach 3 Jahren und 4 Monaten ausgeschöpft.

Weitere steuerliche Unterschiede zwischen Verheirateten und Unverheirateten

Einkommensteuer

Verheiratete Paare profitieren vom Ehegattensplitting, das bei unterschiedlich hohen Einkommen zu Steuervorteilen führen kann.

Unverheiratete werden hingegen einzeln veranlagt.

Erbschaftsteuer

Ähnlich wie bei der Schenkungssteuer genießen Ehepartner auch bei der Erbschaftsteuer höhere Freibeträge (500.000 Euro) im Vergleich zu unverheirateten Partnern (20.000 Euro).

Grunderwerbsteuer

Beim Erwerb einer Immobilie können Ehepartner unter bestimmten Umständen von einer Befreiung der Grunderwerbsteuer profitieren, was für unverheiratete Paare nicht gilt.

Lösungsansätze für unverheiratete Paare

  1. Separate Konten: Führen Sie getrennte Konten und teilen Sie die Ausgaben fair auf.
  2. Dokumentation: Führen Sie genau Buch über gemeinsame Ausgaben und Einzahlungen.
  3. Vertragliche Regelungen: Erwägen Sie einen Partnerschaftsvertrag, der finanzielle Aspekte regelt.
  4. Regelmäßige Überprüfung: Kontrollieren Sie regelmäßig die Einzahlungen und Ausgaben, um große Ungleichgewichte zu vermeiden.

Fazit

Wie man so schön sagt: Dem Tod und der Steuer kann man nicht entkommen. Doch mit kluger Planung und rechtlichem Beistand lassen sich viele Fallstricke umgehen.

Selbst wenn man nicht verheiratet ist, kann die Konsultation eines Familienrechtlers sinnvoll sein.

Das Leben ist komplex, und das Recht kann verwirrend sein – besonders wenn es um die Finanzen in einer Partnerschaft geht. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann helfen, die richtige Balance zwischen praktischer Alltagsgestaltung und steuerlicher Optimierung zu finden.

Der Zugewinnausgleich im deutschen Familienrecht: Schutz für Landwirte und Unternehmer

 

Der Fall des Bad Endorfer Landwirts, der einen neuen Stall für seine 40 Rinder sucht, erinnert uns an die Bedeutung der landwirtschaftlichen Betriebe für unsere Gesellschaft.

Doch neben den alltäglichen Herausforderungen eines Landwirts gibt es auch rechtliche Aspekte zu beachten, insbesondere wenn es um die Absicherung des Hofes im Falle einer Scheidung geht.

Der Zugewinnausgleich im deutschen Recht

Der Zugewinnausgleich ist im deutschen Familienrecht verankert und regelt die Vermögensaufteilung bei einer Scheidung.

Gemäß § 1363 BGB leben Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, sofern sie nichts anderes vereinbart haben. Der Zugewinnausgleich wird in den §§ 1372-1390 BGB geregelt.

Wesentliche Aspekte des Zugewinnausgleichs:

  • Anfangsvermögen: Das Vermögen, das jeder Ehegatte zu Beginn der Ehe besitzt (§ 1374 BGB)
  • Endvermögen: Das Vermögen zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags (§ 1375 BGB)
  • Zugewinn: Die Differenz zwischen Anfangs- und Endvermögen (§ 1373 BGB)

Der Ehegatte mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte der Differenz zum Zugewinn des anderen Ehegatten ausgleichen (§ 1378 BGB).

Schutz des Hofes und anderen Vermögens durch Ehevertrag

Für Landwirte, Unternehmer und Immobilienbesitzer kann der gesetzliche Zugewinnausgleich problematisch sein, da er zur Zerschlagung von Betrieben oder zum Verkauf von Vermögenswerten führen kann. Ein Ehevertrag bietet hier Schutz.

Möglichkeiten im Ehevertrag:

  1. Ausschluss des Zugewinnausgleichs (§ 1408 Abs. 1 BGB)
  2. Modifikation des Zugewinnausgleichs, z.B. durch:
    – Ausschluss bestimmter Vermögenswerte
    – Festlegung eines späteren Stichtags für die Berechnung

Ein gut formulierter Ehevertrag kann nicht nur den landwirtschaftlichen Betrieb, sondern auch andere schützenswerte Vermögenswerte wie Immobilien oder Unternehmen vor den Folgen einer Scheidung bewahren.

Zeitpunkt und Bedeutung der fachlichen Beratung

Es ist dringend zu empfehlen, sich frühzeitig fachkundige Unterstützung zu suchen. Der ideale Zeitpunkt für die Erstellung eines Ehevertrags ist:

  • Vor der Eheschließung (als Verlobte)
  • Zu Beginn der Ehe
  • In einer harmonischen Phase der Ehe

Eine professionelle Rechtsberatung stellt sicher, dass der Ehevertrag rechtlich wirksam und fair gestaltet wird, was die Chancen erhöht, dass er im Streitfall vor Gericht Bestand hat.

Durch vorausschauende Planung und rechtliche Absicherung können Landwirte wie der Bad Endorfer Bauer und andere Unternehmer ihre Lebenswerke schützen und sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren – sei es die Suche nach einem neuen Stall für die Rinder oder die Weiterentwicklung ihres Betriebs.

Niqab im Unterricht: Verwaltungsgericht Düsseldorf bestätigt Verbot

Kürzlich las ich in der Zeitung von einem interessanten Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf. Leider konnte ich weder eine Fundstelle noch den vollständigen Inhalt des Urteils finden.

Der Sachverhalt betraf eine 17-jährige Schülerin, die gegen das Verbot des Tragens eines Niqabs (Gesichtsschleier) im Unterricht an einem Düsseldorfer Berufskolleg geklagt hatte.

Untersagung rechtens

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in diesem Fall entschieden, dass das Berufskolleg berechtigt war, der Schülerin die Teilnahme am Unterricht mit Gesichtsschleier zu untersagen.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass eine gesichtsverhüllende Verschleierung gegen die gesetzlich verankerte Pflicht der Schülerin verstößt, an der Erfüllung des Bildungsauftrags der Schule mitzuwirken.

Und die Eltern?

Aus familienrechtlicher Perspektive stellt sich hier die Frage, wie in einem solchen Fall vorgegangen werden müsste, wenn die Eltern sich bezüglich der religiösen Erziehung des Kindes und dessen Auswirkungen auf den Schulbesuch nicht einig wären.

In einem solchen Szenario wäre zunächst ein familiengerichtliches Verfahren erforderlich, um die Sorgerechtsangelegenheit zu klären.

Bei der Entscheidung über das Sorgerecht in religiösen und schulischen Angelegenheiten würde das Familiengericht das Kindeswohl als oberste Priorität betrachten. Es müsste abgewogen werden, welche Entscheidung dem Wohl des Kindes am besten dient, unter Berücksichtigung des Rechts auf Bildung und der Religionsfreiheit.

Fazit

In einem solchen Fall wäre es wahrscheinlich, dass das Familiengericht die Entscheidungsbefugnis in religiösen und schulischen Angelegenheiten demjenigen Elternteil überträgt, der keine Vollverschleierung von der Tochter fordert.

Diese Entscheidung würde darauf abzielen, das Kindeswohl in Deutschland bestmöglich zu fördern, da sie unter anderem den uneingeschränkten Schulbesuch ermöglicht.

Eine solche Entscheidung würde die Bildungschancen des Kindes sichern und gleichzeitig seine Integration in die Schulgemeinschaft unterstützen, was für die persönliche und soziale Entwicklung von großer Bedeutung ist.

Es bleibt abzuwarten, ob in dem konkreten Fall des Düsseldorfer Urteils Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt wird und wie sich die Rechtsprechung in ähnlichen Fällen weiterentwickeln wird.

Unzumutbarer Scheinvater? Nicht wegen Beerdigungskosten

Ein aktueller Fall des OLG Nürnberg zeigt die Grenzen der Vaterschaftsanfechtung auf. Eine 27-jährige Frau versuchte, die Vaterschaft ihres verstorbenen Scheinvaters anzufechten, um Beerdigungskosten zu vermeiden.

Hintergrund des Falls

  • Die Antragstellerin galt als Tochter des Ehemanns ihrer Mutter.
  • Ihre Mutter heiratete später den biologischen Vater.
  • Jahrelang wurde keine Vaterschaftsanfechtung vorgenommen.
  • Nach dem Tod des Scheinvaters im Jahr 2023 sollte sie Beerdigungskosten zahlen.

Rechtliche Grundlagen

Die Anfechtungsfristen nach § 1600b BGB waren längst abgelaufen. Ein Neubeginn der Frist gemäß § 1600b Abs. 6 BGB ist nur möglich, wenn die Aufrechterhaltung der Vaterschaftszuordnung unzumutbar ist.

Entscheidung des OLG Nürnberg

Das Gericht lehnte den Antrag ab:

  1. Der Tod des Scheinvaters allein rechtfertigt keinen Fristneubeginn.
  2. Beerdigungskosten machen den Fortbestand der Vaterschaft nicht unzumutbar.
  3. Das offensichtliche Motiv der Antragstellerin waren die Beerdigungskosten.

Fazit

Der Gesetzgeber hatte bei der Regelung zur zweiten Chance für Vaterschaftsanfechtungen andere Sachverhalte im Sinn.

Finanzielle Verpflichtungen wie Beerdigungskosten reichen laut OLG Nürnberg nicht aus, um eine Unzumutbarkeit zu begründen und die Anfechtungsfristen neu zu eröffnen.

Dieser Fall unterstreicht die Wichtigkeit, Vaterschaftsfragen zeitnah zu klären und die gesetzlichen Fristen zu beachten.

Wohnkosten und Unterhalt: Eine rechtliche Betrachtung

Kürzlich las ich einen interessanten Artikel im Bayerischen Rundfunk über die steigenden Wohnkosten in Deutschland. Der Bericht zeigt auf, dass ein nennenswerter Anteil der Bevölkerung mehr als 40 Prozent des Einkommens für Wohnkosten aufwendet.

Diese Entwicklung hat nicht nur soziale, sondern auch rechtliche Implikationen, insbesondere im Familienrecht und bei der Berechnung von Unterhaltszahlungen.

Wohnkosten im Unterhaltsrecht

Die Frage der Wohnkosten spielt eine zentrale Rolle bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für Unterhaltszahlungen.

Gemäß § 1603 BGB ist nur derjenige unterhaltspflichtig, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen imstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

Dabei gilt der Grundsatz, dass das Einkommen nur einmal ausgegeben werden kann – Geld, das für Miete aufgewendet wird, steht folglich nicht für Unterhaltszahlungen zur Verfügung.

Pauschalen der Düsseldorfer Tabelle

In der Praxis werden oft die Pauschalen der Düsseldorfer Tabelle herangezogen, die bereits einen gewissen Anteil für Wohnkosten berücksichtigen.

Solange sich die tatsächlichen Wohnkosten im Rahmen dieser Pauschalen bewegen, entstehen in der Regel keine Probleme bei der Unterhaltsberechnung.

Sonderfall: Kostenlose Wohnraumnutzung

Interessanterweise ist die kostenlose Nutzung von Wohnraum, der von Dritten zur Verfügung gestellt wird, unterhaltsrechtlich nicht von Bedeutung. Dies wurde unter anderem durch das OLG Hamm (Beschluss vom 27.11.2018, Az. 3 UF 130/18) bestätigt.

Wohnwertvorteil bei Eigentum

Anders verhält es sich beim Wohnen im Eigentum. Hier kommt der sogenannte Wohnwertvorteil zum Tragen. Dieser stellt den geldwerten Vorteil dar, den der Eigentümer durch die mietfreie Nutzung seiner Immobilie hat.

Der Wohnwertvorteil wird dem Einkommen hinzugerechnet und erhöht somit die Unterhaltspflicht.

Die Berechnung erfolgt in der Regel anhand der ortsüblichen Miete, abzüglich bestimmter Kosten (BGH, Urteil vom 24.04.2013, Az. XII ZR 102/11).

Aktuelle Entwicklungen und rechtliche Bewertung

Bislang galt die Faustregel, dass Wohnkosten in Höhe von 30% des Einkommens unterhaltsrechtlich nicht zu beanstanden sind, da sie statistisch normal und ortsüblich sind.

Die neue Studie des Statistischen Bundesamtes, die Wohnkosten von bis zu 40% des Einkommens als notwendig erachtet, könnte jedoch zu einem Umdenken in der Rechtsprechung führen.

Erhöhte Erwerbsobliegenheit

Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit spielt auch die sogenannte erhöhte Erwerbsobliegenheit eine Rolle, insbesondere gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB).

Die Rechtsprechung sieht diese Verpflichtung traditionell sehr streng, wenn Kostenpositionen wie Miete dazu führen würden, dass der Unterhalt nicht vollständig gezahlt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.2014, Az. XII ZB 272/13).

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit der neuen Realität umgehen wird, in der ein größerer Teil des Einkommens für Wohnkosten aufgewendet werden muss.

Möglicherweise werden die Gerichte in Zukunft höhere Wohnkosten bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit akzeptieren müssen, ohne dabei den Schutz der Unterhaltsberechtigten, insbesondere minderjähriger Kinder, aus den Augen zu verlieren.

Für Unterhaltspflichtige und -berechtigte wird es in Zukunft noch wichtiger sein, ihre rechtliche Situation sorgfältig prüfen zu lassen, um eine faire und rechtskonforme Lösung zu finden, die sowohl die notwendigen Wohnkosten als auch die Unterhaltspflichten berücksichtigt.

Räumliche Trennung in der Weihnachtszeit: Eine rechtliche und emotionale Herausforderung

Die Weihnachtszeit, oft als besinnliche und harmonische Periode des Jahres bezeichnet, kann für viele Paare eine besondere Herausforderung darstellen.

Gerade wenn die Beziehung bereits belastet ist, können die erhöhten Erwartungen an ein perfektes Fest und die intensive gemeinsame Zeit zu zusätzlichen Spannungen führen.

In solchen Situationen kann eine räumliche Trennung eine sinnvolle Lösung sein, um Konflikte zu entschärfen und Klarheit zu gewinnen.

Rechtliche Aspekte der räumlichen Trennung

Ein kürzlich ergangener Beschluss des OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 28.03.2024 – 1 UF 160/23) bringt wichtige Klarstellungen zum Thema räumliche Trennung, insbesondere wenn diese in der gemeinsamen Ehewohnung stattfindet.

Das Gericht betont, dass für eine wirksame Trennung ein „der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung“ erforderlich ist.

Konkret bedeutet dies:

  • Getrenntes Wohnen und Schlafen muss nach außen erkennbar sein
  • Kein gemeinsamer Haushalt mehr
  • Keine wesentlichen persönlichen Beziehungen

Besonders interessant ist die Feststellung des Gerichts, dass ein „freundschaftlicher, anständiger und vernünftiger Umgang der Ehegatten miteinander“ der Annahme einer Trennung nicht entgegensteht.

Dies gilt insbesondere, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt leben.

Das OLG unterstreicht: „Denn auch nach der Trennung bleiben die Ehegatten über die Elternschaft miteinander verbunden und sind zum Wohl ihrer Kinder zum Wohlverhalten verpflichtet.“

Praktische Umsetzung in der Weihnachtszeit

Die Weihnachtszeit kann eine gute Gelegenheit sein, eine räumliche Trennung zu beginnen oder fortzuführen.

Dabei ist es wichtig, klare Absprachen zu treffen und Grenzen zu setzen, ohne dabei die Festtagsstimmung für eventuell vorhandene Kinder zu beeinträchtigen.

Das OLG Frankfurt stellt klar, dass „höfliches Miteinander und gemeinsame Mahlzeiten mit den Kindern der Annahme eines Getrenntlebens nicht entgegen“ stehen.

Für Paare, die eine Trennung in Erwägung ziehen, aber unsicher sind, kann es sinnvoll sein, kritische Entscheidungen bis nach den Feiertagen zu verschieben.

Aus meiner Erfahrung als Familienrechtler macht es oft keinen entscheidenden Unterschied, ob eine Trennung zwei oder drei Wochen früher oder später beginnt.

Wichtiger ist, dass die Entscheidung wohlüberlegt und in einem möglichst entspannten Umfeld getroffen wird.

Fazit

Das zitierte Urteil des OLG Frankfurt bietet eine willkommene Klarstellung für Paare, die sich in der schwierigen Situation einer Trennung befinden, insbesondere wenn sie noch in der gemeinsamen Wohnung leben.

Es ermöglicht einen pragmatischen und menschlichen Umgang miteinander, ohne den rechtlichen Status der Trennung zu gefährden.

Dies kann gerade in der emotional aufgeladenen Weihnachtszeit eine große Erleichterung darstellen.

Letztendlich bleibt festzuhalten: Ob Weihnachten oder nicht – bei einer Trennung, die auf eine zukünftige Scheidung angelegt ist, kommt es darauf an, dass die Paare tatsächlich getrennt voneinander leben. Das OLG Frankfurt hat mit seinem Urteil einen praxisnahen Weg aufgezeigt, wie dies auch in schwierigen räumlichen und zeitlichen Situationen gelingen kann.

Briefkasten mit Silikon verklebt: Zustellung trotzdem wirksam

Zugangsvereitelung und ihre Folgen: Ein Blick auf die aktuelle Rechtsprechung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem kürzlich ergangenen Beschluss (19 U 87/23 vom 10.10.2024) eine interessante Entscheidung zum Thema Zustellung und Zugangsvereitelung getroffen.

Dies nehmen wir zum Anlass, uns näher mit dem Zugang von Willenserklärungen nach deutschem Recht zu befassen.

Grundlagen des Zugangs von Willenserklärungen

Der Zugang einer Willenserklärung ist ein zentrales Element im deutschen Zivilrecht. Für juristische Laien ist es wichtig zu verstehen, dass für den wirksamen Zugang lediglich die Möglichkeit der  Kenntnisnahme erforderlich ist. Die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger spielt dabei keine Rolle.

Sobald eine Willenserklärung einmal zugegangen ist, ändert auch eine spätere Zerstörung oder ein Verlust der Nachricht nichts mehr an der Wirksamkeit des Zugangs.

Dies gilt selbst dann, wenn dadurch objektiv keine Möglichkeit der Kenntnisnahme mehr besteht.

Zugangsvereitelung und ihre Konsequenzen

Was ist Zugangsvereitelung?

Zugangsvereitelung liegt vor, wenn der Empfänger vorsätzlich oder fahrlässig verhindert, dass eine an ihn gerichtete Willenserklärung in seinen Machtbereich gelangt. Beispiele hierfür sind:

  • Verkleben des Briefkastens
  • Entfernen des Namensschildes
  • Umzug ohne Hinterlassen einer Adresse

Rechtliche Folgen

Bei einer Zugangsvereitelung gilt die Willenserklärung im Regelfall als zugegangen, sobald sie in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist und unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden könnte.

Dies wäre z.B. dann nicht der Fall, wenn ich einen Brief hinterm Gartenzaun des Empfängers in den Busch stecke oder ich den Brief statt in den Briefkasten in die Mülltonne des Empfängers einwerfe.

In beiden Fällen wäre der Brief zwar im Herrschaftsbereich des Empfängers (seinem Grundstück oder seinem Mülleimer), aber es wäre normalerweise nicht damit zu rechnen, dass der Empfänger den Brief auch tatsächlich lesen würde.

Ein erfolgter Zugang hat zur Folge, dass:

  1. Fristen zu laufen beginnen
  2. Rechtsfolgen eintreten
  3. Der Absender vor Nachteilen geschützt wird

Möglichkeiten zur Herstellung des Zugangs

Trotz Zugangsvereitelung gibt es Wege, den Zugang einer Willenserklärung zu bewirken:

  1. Öffentliche Zustellung: In bestimmten Fällen kann eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
  2. Hinterlegung: Bei unbekanntem Aufenthaltsort kann eine Hinterlegung beim Amtsgericht in Betracht kommen.
  3. Ermittlung der neuen Adresse: Bei Umzug kann eine Nachforschung zur neuen Anschrift durchgeführt werden.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe unterstreicht die Bedeutung des Zugangs von Willenserklärungen im deutschen Recht.

Sie verdeutlicht, dass Versuche, den Zugang zu vereiteln, rechtlich nicht zum Erfolg führen. Vielmehr können sie sogar nachteilige Folgen für den Empfänger haben, da Fristen trotzdem zu laufen beginnen und Rechtsfolgen eintreten können.

Für die Praxis bedeutet dies, dass sowohl Absender als auch Empfänger von Willenserklärungen sich der rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns bewusst sein sollten. Eine offene und korrekte Kommunikation ist nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, sondern auch aus juristischer Sicht der beste Weg, um Konflikte zu vermeiden und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Pflichtteilsverzicht unwirksam beurkundet: Notar haftet


Was ist der Pflichtteilsverzicht?

Der Pflichtteilsverzicht ist ein wichtiges erbrechtliches Instrument, das es Erblassern ermöglicht, ihre Nachlassplanung flexibler zu gestalten. Dabei verzichtet ein potenzieller Pflichtteilsberechtigter auf seinen gesetzlichen Anspruch auf den Pflichtteil. Dies kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein:

  1. Erhalt von Familienunternehmen: Um eine Zersplitterung des Betriebsvermögens zu verhindern
  2. Ausgleich von Vorempfängen: Wenn ein Erbe bereits zu Lebzeiten des Erblassers begünstigt wurde
  3. Vermeidung von Konflikten: Um Streitigkeiten zwischen Erben vorzubeugen

Der Fall

Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 20.11.2024 – IV ZR 263/23) zeigt jedoch, dass bei der Gestaltung eines Pflichtteilsverzichts äußerste Sorgfalt geboten ist.

Im vorliegenden Fall wurde ein Pflichtteilsverzichtsvertrag für unwirksam erklärt, da der Erblasser bei der notariellen Beurkundung nicht persönlich anwesend war und auch keine wirksame Vollmacht vorlag.

Meine Einschätzung

Um solche rechtlichen Fallstricke zu vermeiden, empfiehlt es sich dringend, den Pflichtteilsverzichtsvertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien abzuschließen.

Sollte dies nicht möglich sein, ist eine vorherige rechtliche Beratung unerlässlich. Nur so können potenzielle Probleme frühzeitig erkannt und vermieden werden.

Es ist wichtig zu bedenken, dass es zu dem genannten BGH-Urteil nie gekommen wäre, wenn nicht im Nachhinein jemand seine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht und eingeklagt hätte. Dies unterstreicht die Bedeutung einer rechtssicheren Gestaltung des Pflichtteilsverzichts.

Fazit

Der Pflichtteilsverzicht kann ein nützliches Instrument der Nachlassplanung sein, birgt aber auch rechtliche Risiken. Eine sorgfältige Vorbereitung und fachkundige Beratung sind unerlässlich, um die Wirksamkeit des Verzichts sicherzustellen und spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Neue Düsseldorfer Tabelle: Deutlich mehr für studierende Kinder

Zum 1. Januar 2025 tritt wie gewohnt eine neue Düsseldorfer Tabelle in Kraft, die einige Anpassungen bei den Unterhaltsbedarfssätzen mit sich bringt.

Besonders bemerkenswert ist die deutliche Erhöhung für studierende Kinder.

Wichtige Änderungen im Überblick

  • Leichte Erhöhung des Mindestunterhalts für minderjährige Kinder
  • Signifikanter Anstieg des Bedarfs für studierende Kinder
  • Keine Änderung bei den Selbstbehalten

Der Bedarf eines Studierenden, der nicht bei den Eltern wohnt, steigt von 930 Euro auf 990 Euro (inklusive 440 Euro Warmmiete). Dies ist auf den zum 1. Oktober 2024 erhöhten BAföG-Höchstfördersatz zurückzuführen.

Wichtiger Hinweis für Unterhaltspflichtige

Besonders zu beachten ist, dass bei dynamisch errichteten Unterhaltstiteln, die sich auf einen bestimmten Prozentsatz des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle beziehen, der Dauerauftrag unaufgefordert zum 1. Januar 2025 angepasst werden muss.

Unterhaltspflichtige sollten dies nicht versäumen, da aus solchen Titeln ohne vorherige Mahnung vollstreckt werden kann, falls die Anpassung nicht erfolgt.

Fazit

Die Anpassungen in der Düsseldorfer Tabelle 2025 sind zwar größtenteils moderat, können aber dennoch spürbare Auswirkungen auf Unterhaltszahlungen haben.

Es ist ratsam, bestehende Unterhaltsvereinbarungen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um rechtliche Komplikationen zu vermeiden.

Für detaillierte Informationen oder individuelle Beratung zu Ihrem Unterhaltsfall stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.