Kürzlich las ich einen interessanten Artikel im Bayerischen Rundfunk über die steigenden Wohnkosten in Deutschland. Der Bericht zeigt auf, dass ein nennenswerter Anteil der Bevölkerung mehr als 40 Prozent des Einkommens für Wohnkosten aufwendet. Diese Entwicklung hat nicht nur soziale, sondern auch rechtliche Implikationen, insbesondere im Familienrecht und bei der Berechnung von Unterhaltszahlungen. Die Frage der Wohnkosten spielt eine zentrale Rolle bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für Unterhaltszahlungen. Gemäß § 1603 BGB ist nur derjenige unterhaltspflichtig, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen imstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Dabei gilt der Grundsatz, dass das Einkommen nur einmal ausgegeben werden kann – Geld, das für Miete aufgewendet wird, steht folglich nicht für Unterhaltszahlungen zur Verfügung. In der Praxis werden oft die Pauschalen der Düsseldorfer Tabelle herangezogen, die bereits einen gewissen Anteil für Wohnkosten berücksichtigen. Solange sich die tatsächlichen Wohnkosten im Rahmen dieser Pauschalen bewegen, entstehen in der Regel keine Probleme bei der Unterhaltsberechnung. Interessanterweise ist die kostenlose Nutzung von Wohnraum, der von Dritten zur Verfügung gestellt wird, unterhaltsrechtlich nicht von Bedeutung. Dies wurde unter anderem durch das OLG Hamm (Beschluss vom 27.11.2018, Az. 3 UF 130/18) bestätigt. Anders verhält es sich beim Wohnen im Eigentum. Hier kommt der sogenannte Wohnwertvorteil zum Tragen. Dieser stellt den geldwerten Vorteil dar, den der Eigentümer durch die mietfreie Nutzung seiner Immobilie hat. Der Wohnwertvorteil wird dem Einkommen hinzugerechnet und erhöht somit die Unterhaltspflicht. Die Berechnung erfolgt in der Regel anhand der ortsüblichen Miete, abzüglich bestimmter Kosten (BGH, Urteil vom 24.04.2013, Az. XII ZR 102/11). Bislang galt die Faustregel, dass Wohnkosten in Höhe von 30% des Einkommens unterhaltsrechtlich nicht zu beanstanden sind, da sie statistisch normal und ortsüblich sind. Die neue Studie des Statistischen Bundesamtes, die Wohnkosten von bis zu 40% des Einkommens als notwendig erachtet, könnte jedoch zu einem Umdenken in der Rechtsprechung führen. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit spielt auch die sogenannte erhöhte Erwerbsobliegenheit eine Rolle, insbesondere gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB). Die Rechtsprechung sieht diese Verpflichtung traditionell sehr streng, wenn Kostenpositionen wie Miete dazu führen würden, dass der Unterhalt nicht vollständig gezahlt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.2014, Az. XII ZB 272/13). Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit der neuen Realität umgehen wird, in der ein größerer Teil des Einkommens für Wohnkosten aufgewendet werden muss. Möglicherweise werden die Gerichte in Zukunft höhere Wohnkosten bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit akzeptieren müssen, ohne dabei den Schutz der Unterhaltsberechtigten, insbesondere minderjähriger Kinder, aus den Augen zu verlieren. Für Unterhaltspflichtige und -berechtigte wird es in Zukunft noch wichtiger sein, ihre rechtliche Situation sorgfältig prüfen zu lassen, um eine faire und rechtskonforme Lösung zu finden, die sowohl die notwendigen Wohnkosten als auch die Unterhaltspflichten berücksichtigt.Wohnkosten im Unterhaltsrecht
Pauschalen der Düsseldorfer Tabelle
Sonderfall: Kostenlose Wohnraumnutzung
Wohnwertvorteil bei Eigentum
Aktuelle Entwicklungen und rechtliche Bewertung
Erhöhte Erwerbsobliegenheit
Ausblick
Wohnkosten und Unterhalt: Eine rechtliche Betrachtung
Wohnkosten und Unterhalt: Eine rechtliche Betrachtung was last modified: Dezember 16th, 2024 by