Auch dieser Fall aus London zeigt eindrucksvoll, wie komplex erbrechtliche Streitigkeiten sein können. Vor dem Central London County Court wird derzeit ein Rechtsstreit zwischen der Stieftochter und der ehemaligen Haushaltshilfe eines verstorbenen 90-jährigen Mannes ausgetragen. Der Sachverhalt: Der Rechtsstreit: Die Stieftochter ficht nun diesen Vorgang vor Gericht an, da sie die Verfügung für unwirksam hält. Im englischen Zivilrecht herrscht grundsätzlich Testierfreiheit. Der Erblasser war somit berechtigt, seine Stieftochter zu enterben und sein Vermögen der Putzfrau zu vermachen. Allerdings könnte die Beinahe-Schenkung unwirksam sein, wenn nachgewiesen wird, dass sie nur dazu diente, den Nachlass zu schmälern. In Deutschland wäre der Fall anders zu beurteilen:
Rechtliche Würdigung nach englischem Recht
Vergleich mit deutschem Erbrecht
Pflichtteilsansprüche: Die leiblichen Kinder hätten Anspruch auf den Pflichtteil, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt.
Pflichtteilsergänzungsanspruch: Die Schenkung der Briefmarkensammlung würde für die Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt, abhängig vom Zeitpunkt der Schenkung.
Gemischte Schenkung: Der Verkauf der Briefmarkensammlung unter Wert würde als gemischte Schenkung behandelt.
Position der Stieftochter: Als nicht leibliches Kind hätte die Stieftochter keinen Pflichtteilsanspruch. Ihre einzige Möglichkeit wäre, das neuere Testament anzufechten.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Der Fall verdeutlicht die erheblichen Unterschiede zwischen englischem und deutschem Erbrecht. Während in England die Testierfreiheit im Vordergrund steht, schützt das deutsche Recht die Interessen der nächsten Angehörigen durch Pflichtteilsansprüche.
Für die Praxis ergeben sich folgende Empfehlungen:
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Frühzeitige Planung: Eine sorgfältige Nachlassplanung kann spätere Streitigkeiten vermeiden.
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Rechtliche Beratung: Bei komplexen familiären Verhältnissen oder größeren Vermögenswerten ist eine fachkundige Beratung unerlässlich.
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Dokumentation: Schenkungen zu Lebzeiten sollten sorgfältig dokumentiert werden, um spätere Anfechtungen zu erschweren.
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Berücksichtigung von Pflichtteilsansprüchen: In Deutschland sollten bei der Nachlassplanung stets die gesetzlichen Pflichtteilsansprüche beachtet werden.
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Internationale Aspekte: Bei grenzüberschreitenden Erbfällen ist besondere Vorsicht geboten, da unterschiedliche Rechtssysteme zu unerwarteten Ergebnissen führen können.
Eine vorausschauende und rechtssichere Gestaltung des letzten Willens kann helfen, den Familienfrieden auch über den Tod hinaus zu bewahren und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.