Mietrecht: Leasing ist Miete ist Volleigentum

Mit der Zeit erlebt man einige faszinierende Geschichten. In meiner Zeit in der Sanierungsabteilung einer Leasinggesellschaft, wo ich notleidendes Geschäft betreut habe, ereignete sich z.B. die unsterbliche Geschichte von der Eis-Maschine.

Kapitel I – Der Anruf

Eines Tages rief mich der Leasingnehmer an. Nennen wir ihn der Einfachheithalber Luigi. Luigi betrieb eine Eisdiele. Und hatte hierzu eine Eismaschine erworben und über meinen Arbeitgeber, die Leasinggesellschaft, finanziert. Nun eröffnete mir Luigi, dass er Probleme mit dem Finanzamt hätte. Und deshalb Insolvenz anmelden müsse, um seine Situation zu verbessern. Aus diesem Grund müsste er leider den Leasingsvertrag kündigen. Ich hatte seinerzeit nicht verstanden, in wie fern sich seine Situation gegenüber dem Finanzamt durch die Insolvenz verbessern würde oder warum er den Leasingvertrag kündigen musste. Aber ein Blick in die Akte und das Konto im PC zeigte mir, dass Luigi keine einzige Rate rückständig war und die Leasinggesellschaft vollständig durch eine Bürgschaft einer italienischen Großbank abgesichert war. Die Leasinggesellschaft hätte zu diesem Zeitpunkt den Vertrag gar nicht wirksam kündigen können. Und Luigi hatte kein Recht dazu, den Vertrag selbst zu kündigen, weil der Leasingvertrag über eine bestimmte Zeit geschlossen war. Gleichwohl entschloss ich mich spontan, Luigis Kündigung anzunehmen.

Kapitel II – Kündigung, Fälligkeit und Bürgschaft

Aufgrund der Kündigung von Luigi war der Vertrag sofort beendet. Damit waren dann aber sämtliche zukünftigen Raten aus der festen Vertragslaufzeit – selbstverständlich barwertig abgezinst – sofort fällig. Das habe ich Luigi mit der Kündigungsbestätigung mitgeteilt und ihn aufgefordert, den Betrag in einer Summe zu zahlen. Wohl wissend, dass er das natürlich nicht konnte bzw. tun würde. Gleichzeitig habe ich die italienische Bank dem Grunde nach  aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Als die Frist zur Zahlung verstrichen ist, habe ich dies dem Bürgen ebenfalls mitgeteilt. Und nun zur Zahlung des gesamten Betrages aufgefordert. Das hat etwas gedauert – Italien ist offenbar etwas weiter weg -. Aber nach ca. 3-4 Wochen hatten wir den gesamten Betrag auf unserem Konto.

Kapitel III – Herausgabeverlangen

Kurze Zeit später meldete sich ein Anwalt bei mir. Er würde vertreten. Ich wusste jetzt nicht wer Marco ist. Aber hörte mir gerne an, was der Anwalt mir zu sagen hatte. Marco wollte die Eismaschine haben. Schließlich habe er sie ja bezahlt. Hierzu wies ich den Anwalt darauf hin, dass nicht Marco sondern die italienische Bank gezahlt habe. Es stellte sich heraus, dass Marco wohl gegenüber der Bank selbst wiederum gebürgt hatte und in Anspruch genommen worden war. So weit, so gut Doch leider musste ich dem Anwalt auch erklären, dass weder er bzw. Marco oder die Bank – und auch sonst niemand – die Eismaschine bekommen könne. Denn die gehörte immer noch uns, d.h. der Leasinggesellschaft. Weil Leasing dem Grunde nach Miete ist. Und die Mietsache am Ende der Mietzeit immer noch dem Vermieter gehört. Der Anwalt war nicht begeistert. Und wollte sich dann noch mal melden. Hat er aber nicht….

Kapitel IV – Frau Luigi

Wiederum einige Zeit später meldete sich eine Frau bei mir. Sie teilte mir mit, dass sie die Frau von Luigi sei. Sie hatte vor an dem ursprünglichen Standort eine Eisdiele zu betreiben. Welch überraschende Wendung möchte man meinen. „Schön“, sagte ich. „Das trifft sich gut. Ich habe eine Eismaschine.“ Weil Familie Luigi bekanntlich Probleme mit dem Geld und dem Finanzamt hatte, habe ich Frau Luigi dann angeboten, die Rate zu reduzieren. Und lediglich 70 % der ursprünglichen Rate genommen. Gleichzeitig meinte ich, dass aber ich auch Planungssicherheit bräuchte. Und daher eine feste Vertragslaufzeit von zwei Jahren benötigen würde. Sie hat sich über beides sehr gefreut und den neuen Leasingvertrag sofort abgeschlossen.

Kapitel V – mein Chef

Ich dachte nun, der Vorgang sei schnell vom Tisch und alle wären glücklich. Weit gefehlt! Ein paar Tage später rief mich mein Chef zu sich und meinte, die Buchhaltung habe ein Problem. Ich hätte ja einen Leasingvertrag abgeschlossen. Doch der Vertrag sei gekündigt. Und damit das Objekt – die Eismaschine – gar nicht mehr im Bestand der Leasinggesellschaft aktiviert. „Ach“, antwortet ich. „Und wie wäre es, wenn die Buchhaltung das Objekt dann wieder aktiviert? Schließlich steht es zivilrechtlich in unserem Eigentum. Und wir sind eine Leasinggesellschaft und vermieten bzw. verleasen Objekte.“ Mein Chef erbot sich, dies der Buchhaltung auszurichten. Ich dachte nun, der Vorgang sei nun aber schnell vom Tisch und alle wären glücklich. Doch weit gefehlt! Am nächsten Tag rief mich mein Chef erneut zu sich. Die Buchhaltung hätte immer noch bzw. schon wieder ein Problem. Sie wüsste nicht, gegen welche Forderung sie meinen Leasingvertrag buchen sollte. In dem alten Vertrag wäre ja nichts mehr offen. „Das ist richtig. Die Forderung habe ich bereits beigetrieben.“ antwortete ich. „Wie wäre es, wenn wir den neuen Vertrag gegen Gewinne verbuchen? Ich meine – wenn wir keine Gewinne mehr verbuchen können, dann hätten wir ein echtes Problem, oder?“ Erfahrungen wie diese haben mit dazu beigetragen, dass ich mich entschieden habe, mich selbständig zu machen und lieber für Mandanten als für meinen damaligen Chef tätig zu werden.

Epilog

Übrigens – was meinen Sie, wem nach Ablauf der zwei Jahren Leasingdauer die mehr als voll bezahlte Eismaschine (immer noch!) gehörte?

Mietrecht: Leasing ist Miete ist Volleigentum was last modified: September 22nd, 2015 by Kai Breuning

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