„Warum hast Du eigentlich Jura studiert?“ fragt mich manch einer, wenn ich erzähle, dass deutlich über 90 % der Fälle nicht durch juristische Fragen, sondern allein aufgrund des Sachverhaltes entschieden werden.
„Um zu wissen, welche Tatsachen streitentscheidend sind und wann tatsächlich einmal juristisch vorgetragen werden muss.“ könnte eine denkbare Antwort lauten.
„Weil es mir einfach Spaß macht!“wäre eine andere mögliche Antwort. Das mit dem siegreichen Sachverhalt zeigt sich in letzter Konsequenz dann, wenn die Entscheidung aufgrund der gesetzlichen
Beweislastverteilung erfolgt.
Was mir nützen soll, muss ich auch behaupten und beweisen
Ganz allgemein gilt, dass jeder in einem Zivilprozess immer das vortragen muss, was günstig für ihn ist. Das Gericht darf nur das bei der Entscheidung (dem Urteil) zugrunde legen, was die Parteien überhaupt vortragen. Und jeder muss nötigenfalls alles beweisen, was für ihn günstig sein soll. Anderenfalls wird es vom Gericht nicht weiter beachtet. Es gibt einige wenige spezielle Ausnahmen.
Konkretes Beispiel aus dem Mietrecht
Das Kammergericht Berlin hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem es zu einem Wasserschaden von über EUR 50.000 kam. Aus einem geöffneten Wasserhahn unterhalb des Waschbeckens in den Räumen des Mieters war eine große Mengen Wasser ausgetreten.
Es überschwemmte nicht nur die Etage, sondern auch das Treppenhaus. Der Vermieter verlangte von dem Mieter Schadensersatz. Dieser verteidigte sich damit, dass der Vermieter beweisen müsse, dass der Schaden durch eine vom Mieter zu verantwortende Pflichtverletzung entstanden sei.
Das Gericht folgte hier dieser Argumentation hinsichtlich der Beweislastverteilung jedoch nicht, weil es erwiesen war, dass der Wasserhahn nicht ordnungsgemäß verschlossen war. Wenn allerdings ein Schaden beim Gebrauch der Mietsache entstanden ist und ausgeschlossen sei, dass der Vermieter die Verantwortung treffe, trage der Mieter die Beweislast. Er müsse nachweisen, dass er den Schadenseintritt nicht zu vertreten habe.
“Hier ist das Wasser, das den Schaden verursachte, unstreitig aus einem nicht geschlossenen Wasserhahn, der sich in den von der Beklagten angemieteten Räumen befindet, ausgeströmt.
Das Benutzen von Wasserhähnen gehört eindeutig zum Mietgebrauch. Das Schließen eines Wasserhahns gehört auch nicht in den Obhuts- und Verursachungsbereich des Vermieters. Die Beweislast für das Fehlen einer objektiven Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens liegt daher bei der Beklagten. Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass zunächst der Vermieter beweisen müsse, dass nicht ein sonstiger Defekt des Wasserhahns Ursache für das Austreten des Wassers gewesen ist. Denn welchen Defekt auch immer die Beklagte dabei im Sinn haben mag, das Wasser wäre jedenfalls nicht ausgetreten, wenn der Wasserhahn zugedreht gewesen wäre. Das war aber unstreitig nicht der Fall. Zu Recht hat schon das Landgericht darauf hingewiesen, dass sich Wasserhähne nicht von allein aufdrehen.”
Da der Mieter diesen Beweis nicht führen konnte hat das Kammergericht in seinem Urteil vom 31.05.2010 – 12 U 147/09 – daher der Klage des Vermieters stattgegeben.